Der Pietrass-Erbhof in Marczinawolla: Dokumente

Weil zum P-Erbhof in Marczinawolla privilegiertes Land gehörte, erscheinen die Namen der Besitzer in zahlreichen alten Dokumenten (Urkunden, Steuerlisten, Grundbücher), welche vor 1945 im Preußischen Staatsarchiv in Königsberg lagerten und heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) in Berlin zu finden sind.
Hier ist die frühe Geschichte des P-Erbhofes anhand von aufgefundenen Dokumenten aus dem Königsberger Staatsarchiv dargestellt.

1612
Dietrich Schachtmeyer erwirbt zwei Hufen Land (ca. 34 Hektar) in Marczinawolla zu "cöllmischen" (kulmischen) Rechten, gemäß der Verschreibung 1612 von Johann Sigismund, Markgraf zu Brandenburg und Regent im Herzogtum Preußen. Dieses privilegierte Land kam ca. hundert Jahre später in den Besitz von Albrecht Pietraß, der damit den P-Erbhof in Marczinawolla begründete. Der Erbhof befand sich bis 1945 ununterbrochen im Besitz der Familie Pietraß.
Quelle: GStA PK, Signatur: Ostpr. Fol. 15556, S.174; EM 88e, Nr.63, S.124

Bemerkung
Die cöllmischen Grundbesitzer waren gegenüber den Zinsbauern privilegiert, weil ihr Land erblich und mit vergleichsweise geringen Hufenzinsen belastet war. Im Unterschied zu den Zinsbauern mussten sie nicht "scharwerken", dafür aber andere Dienste für die Herrschaft leisten.


1690
Am 24. Mai 1690 fand in Königsberg die Erbhuldigung vor Friedrich III (Markgraf von Brandenburg und Herzog in Preußen, ab 1701 Friedrich I, König in Preußen), zu der Vertreter der privilegierten Stände (Adlige, Freie, Schulzen, Kölmer, Krüger) aus dem ganzen Herzogtum Preußen nach Königsberg befohlen waren.
Vom Amt Lötzen wurden nach Königsberg entsandt: 6 Adlige, 17 Personen aus den Freidörfern (z.B. Lipiensken) und 13 Personen (Schulzen, Kölmer) aus den Bauerndörfern, darunter aus Marczinawolla der Schulze Fabian Schachtmeyer.
Privilegierte Personen, die nicht in Königsberg gehuldigt hatten, haben den Erbeid am 12. Juli 1690 im Amt Lötzen geleistet, darunter aus Marczinawolla der Schulze Hans Schachtmeyer und der Kölmer Michel Nagel, aus dem Freidorf Lipiensken Adam Pietraß.
Quelle: GStA PK, Signatur: EM 87d Nr. 41, S. 253, 297

Bemerkung
1690 gehörten die zwei kulmischen Hufen nicht mehr einem Schachtmeyer, sondern dem Michel Nagel. Dagegen waren Schulzenhufen in Marczinawolla im Schachtmeyer-Besitz. In Lipiensken gab es 1690 den „Freien“ Adam Pietraß.


1698
Nach der Abschrift 1698 der Gründungsurkunde 1571 des Dorfes Marczinawolla ist vermerkt:
Die 5 Schulzenhufen besitzen folgende Wirte:
3 Hufen Fabian Schachtmeyer und Georg Thim,
2 Hufen Hans Schachtmeyers Erben

Quelle: GStA PK, Signatur: EM 88e Nr.63, S.126R

Nach der Abschrift 1698 der Verschreibung 1612 für Dietrich Schachtmeyer über zwei kulmische Hufen ist vermerkt:
Kopie der Verschreibung über 2 Hufen, welche Michel Nagel besitzt.
Quelle: GStA PK, Signatur: EM 88e Nr.63, S.125

Nach der Abschrift 1698 der Gründungsurkunde 1487 des Dorfes Lipiensken sind die 18 Grundbesitzer namentlich aufgelistet,
darunter die Freien Albrecht und Merten Pietraß, welche 4 Hufen Land besitzen.
Quelle: GStA PK, Signatur: EM 88e Nr.63, S.45

Bemerkung
1698 gehörten die 5 Schulzenhufen in Marczinawolla überwiegend der Familie Schachtmeyer.
Die zwei kulmischen Hufen gehörten dem Michel Nagel.
Albrecht Pietraß, 1720 Besitzer des P-Erbhofes in Marczinawolla, war 1698 Grundbesitzer in Lipiensken.


1706
Eine Aktennotiz des Amtes Lötzen zu einer Erbangelegenheit in Lipiensken wurde von Albrecht Pietras und drei weiteren Freien als Zeugen unterschrieben.

Actum Lipiensken, den 5. July 1706
Nachdem des verstorbenen Freien Johann Janutzky hier in Lipiensken seine hinterlassene Witwe Catharina ein hohes Alter erreicht ...
...
So geschehen in Lipiensken …
Albrecht Pietras
Johann Janutzky
Johann Baginsky
Andres Bartlik
als erbetene Zeugen

Quelle: GStA PK, Signatur: Ostpr. Fol. 226, S.235

Bemerkung
1706 wohnte Albrecht Pietras noch in Lipiensken.


1720
In der Jahresrechnung 1720 des Amtes Lötzen steht geschrieben, dass Albrecht Pietras Besitzer der zwei kulmischen Hufen in Marczinawolla ist, die 1612 Dietrich Schachtmeyer erworben hatte und 1698 dem Michel Nagel gehörten.

2 cöllmische Huben, am 19. November 1617 zu Königsberg von seiner Churfürstlichen Durchlaucht, Herrn Johann Sigismund, zu Cöllmischen Rechten dem Dietrich Schachtmeyer verliehen, solche besitzet jetzt Albrecht Pietras.
Davon zinset er
40 Groschen an Hubenzins
6 Groschen an Böttelgeld

Quelle: GStA PK, Signatur: Ostpr. Fol. 6465, S.84

Bemerkung
Albrecht Pietras, war der erste Besitzer des P-Erbhofes in Marczinawolla. 1706 war er noch Grundbesitzer im Freidorf Lipiensken, 1720 besitzt er die zwei kulmischen Hufen in Marczinawolla, die zuvor dem Michel Nagel gehörten. Es ist nicht bekannt, wann und wie dieser Wechsel erfolgte. (Wahrscheinlich durch Heirat, Lipiensken und Marczinawolla gehörten zum gleichen Kirchspiel Milken).


1750 - 1762
In den Praestationstabellen des Amtes Lötzen ist eingetragen, wer das privilegierte Land (5 Schulzenhufen, 2 kulmische Hufen) in Marczinawolla besitzt:
Jan Nippa 3 Schulzenhufen,
Georg Kopka 1 Schulzenhufe,
Fabian Thim 1 Schulzenhufe,
Jacob Pietraß 2 kulmische Hufen, wofür er jährlich zahlen muss:
40 Groschen Hufenzins, 6 Groschen Böttelgeld.

Quelle: GStA PK, PT Lötzen, Band 2 (1750-1756), Band 3 (1756- 1762), Band 5 (1768-1774)

Bemerkung
1750 war Jacob P. Besitzer der zwei kulmischen Hufen, die er von seinem Vater Albrecht P. geerbt hatte. Die Abgaben für die zwei kulmischen Hufen waren 1768 unverändert wie 1720.


1765 - 1785
Jacob P. vergrößert seinen Grundbesitz, indem er „wüstes“ (brachliegendes) Bauernland in seine Obhut nimmt. Dafür erhält er drei Erbverschreibungen:
1765 über eine Hufe zu „erbfreien“ Rechten,
1769 über 15 Morgen ( ½ Hufe) zu „erbfreien“ Rechten und
1769 über 7 Morgen 150 Ruten (¼ Hufe) zu „cöllmischen“ Rechten.
Diese Verschreibungen werden 1782 und 1785 in Berlin vom Preußischen König Friedrich II „confirmiert“ (bestätigt).

Quelle: GStA PK, Signatur: Ostpr. Fol. 15556

Bemerkung
Mit den Verschreibungen von 1765 und 1769 hat Jacob Pietraß seinen Grundbesitz fast verdoppelt. Vorher hatte er 2 cöllmische Hufen, danach 2 ¼ „cöllmische“ und 1 ½ „erbfreie“ Hufen, insgesamt also 3 ¾ Hufen. Die Grundsteuern und andere Leistungen richteten sich nach der Qualität (cöllmisch, erbfrei, zinsbäuerlich) des Grundbesitzes. Erbfrei bedeutet erblich und scharwerksfrei.

Historischer Hintergrund
Die Verschreibungen von 1765 und 1769 erfolgten in der Regierungszeit von Friedrich dem Großen (Friedrich II, 1740-1786 König von Preußen), nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und vor der ersten Teilung Polens (1772). Während des Siebenjährigen Krieges war Ostpreußen 1757-1762 von russischen Truppen besetzt.
Die Litthauische Kriegs- und Domänenkammer zu Gumbinnen wurde 1736 gegründet, als Bestandteil einer Verwaltungsreform in Ostpreußen während der Regierungszeit 1713-1740 von König Friedrich Wilhelm I (Soldatenkönig). Ziel der Verwaltungsreform war die Förderung des durch Tatareneinfall (1658), Hungersnot (1708) und Pest (1709/10) entvölkerten und verwüsteten Ostpreußens, insbesondere Preußisch-Litauens. Eine Maßnahme war die Aufnahme von Neusiedlern (z.B. Salzburger 1732).
Die Kriegs- und Domänenkammer zu Gumbinnen war die übergeordnete Verwaltungseinheit des Amtes Lötzen und der Vorläufer des Regierungsbezirks Gumbinnen (ab 1808), der die östlichen und südlichen Kreise Ostpreußens umfasste, u.a. Lötzen, Lyck, Johannisburg, Angerburg, Sensburg, Oletzko. Die nördlichen und westlichen Kreise Ostpreußens gehörten dagegen zum Regierungsbezirk Königsberg.


1780 - 1786
In den Prästationstabellen Amt Lötzen, Band 7, ist unter Marczinawolla eingetragen:
Jacob Pietraß. besitzt an Land
• 2 Hufen gemäß Verschreibung von 1612 zu Cöllmischen Rechten, Grundbuch No 135, jährlicher Hufenzins 40 Gr
• 7 Morgen 150 Ruten (= ¼ Hufe) gemäß Verschreibung von 1769, Grundbuch No 136, jährlicher Hufenzins 15 Gr
• 1 Hufe 15 Morgen (= 1 ½ Hufe) „Erbfreienland“, gemäß Verschreibung von 1769, Grundbuch No 142, jährlicher Hufenzins 7 Rtl

Für das cöllmische Land (2 Hufen, 15 Morgen, 150 Ruten) muss er weitere Abgaben leisten (als Ersatz für frühere Dienste):
• Generalhufenschoß 6 Rtl, 67 Gr, 9 Pf
• Fourage 3 Rtl, 33 Gr, 13 Pf
• Service 3 Rtl
insgesamt 13 Rtl, 11 Gr, 4 Pf

Quelle: GStA PK , PT Lötzen, Band 7 (1780-1786)

Bemerkung
1 Rtl (Reichstaler) = 90 Gr (Groschen), 1 Gr = 18 Pf (Pfennig)


1802 - 1810
In den Prästationstabellen Amt Lötzen Band 13 ist unter Marczinawolla, Cöllmer eingetragen:
Die Witwe von Johann Pietraß besitzt 2 Hufen nach kulmischem Maß. Das sind 4 Hufen, 15 Morgen, 147 Ruten nach magdeburgischem Maß. Cöllmischer Dömänenzins dafür 40 Gr.
Außerdem besitzt sie 7 Morgen, 150 Ruten nach kulmischem Maß. Das sind 16 Morgen, 176 Ruten nach magdeburgischem Maß. Cöllmischer Dömänenzins dafür 40 Gr.

Quelle: GStA PK, PT Lötzen, Band 13 (1802-1810)

Bemerkungen
Nach dem Tod von Johann P. (Sohn von Jacob P.) erbte zunächst seine Witwe das Land nach Cöllmischem Recht, ehe es an den Sohn Christoph P. überging. In Preußen wurde in dieser Zeit das Magdeburgische Flächenmaß anstelle des kulmischen Maßes eingeführt.
Der cöllmische Domänenzins war 1805 unverändert.


1828 - 1830
In den Ortschaftstabellen des Amtes Lötzen, Band 23, Kirchspiel Milken, ist unter Marczinawolla eingetragen:
Name des Grundbesitzers: Christoph Pietraß (olim Wittin Pietraß)
Besitzt Land nach Preußischem (Magdeburgischem) Maß: 4 Hufen, 15 Morgen, 147 Ruten
Qualität des Besitzes: Cöllmisch
Dokument ex quo: Privilegio Angerburg, 26. Sept 1612
Grundbuch: 35
Jährliche Grundabgaben dafür:
Generalhufenschoß: 6 Tl, 22 Gr, 6 Pf
Fouragegelder: 3 Tl, 11 Gr, 3 Pf
Service- und Tafelgelder: 3 Tl
Derselbe besitzt weiteres cöllmisches Land: 16 Morgen, 176 Ruten nach Preuß. Maß
Dokument ex quo: Privilegio Angerburg 20. März 1769, Conf. Berlin 19. April 1785
Grundbuch: 36
Jährliche Grundabgaben dafür: Domänenzins 20 Gr, 4 Pf
Derselbe besitzt weiteres erbfreies Land: 3 Hufen, 11 Morgen nach Preuß. Maß
Dokument ex quo: Erbvertrag Lötzen 27. Nov. 1769, Gumbinnen 8. Juli 1765, Conf. Berlin 2. Mai 1782
Grundbuch: 41 A und B
Jährliche Abgaben dafür: ??

Quelle: GStA PK, PT Lötzen, Band 23 (1828-1830)

Bemerkung
1828 ist Christoph P. (Enkel von Jacob P.) Hofbesitzer.
Die Steuern und Abgaben haben sich verändert (Generalhufenschoß statt Cöllmischer Domänenzins.)


1843 - 1848
In den Ortschaftstabellen des landrätlichen Kreises Lötzen, Kirchspiel Milken, ist unter Marczinawolla (cöllmisches, erbfreies und scharwerksfreibäuerliches Dorf) eingetragen:
Name des Grundbesitzers: Friedrich Pietraß (olim Christoph)
Besitzt Land: 2 Hufen, 135 Morgen, 147 Ruten nach preuß. Maß
Qualität des Besitzes: cöllmisch
Dokument ex quo: Privilegio Angerburg, 26. Sept 1612
Grundbuch: 35
Jährliche Grundabgaben dafür:
Generalhufenschoß: 6 Tl, 22 Gr, 6 Pf
Fouragegelder: 3 Tl. 11 Gr, 3 Pf
Service- und Tafelgelder: 3 Tl
Derselbe besitzt weiteres cöllmisches Land: 16 Morgen, 176 Ruten nach Preuß. Maß.
Dokument ex quo: Privilegio Angerburg 20. März 1769, Conf. Berlin 19. April 1785
Grundbuch: 36
Jährliche Grundabgaben dafür: Domänenzins 20 Gr, 4 Pf
Derselbe besitzt weiteres erbfreies Land: 111 Morgen, 56 Ruten nach Preuß. Maß.
Dokument ex quo: Erbvertrag Lötzen 27. Nov. 1769, Gumbinnen 8. Juli 1765,
Conf. Berlin 2. Mai 1782
Grundbuch: 41 A und B
Jährliche Abgaben dafür: ??

Quelle: GStA PK, PT Lötzen, Band 32 (1843-1848)

Bemerkung
1843 ist Friedrich P. (Sohn von Christoph P.) Hofbesitzer in Marczinawolla.