Ab März 2007 studierte ich die Prästationstabellen des Amtes Lötzen bei den Mormonen in Zürich und fand mit Jacob P. (ca. 1720-1800) einen noch früheren Besitzer des Pietrass-Hofes in Marczinawolla. Er ist von 1750 bis 1792 als "Cöllmischer" Grundbesitzer eingetragen. Er besitzt 2 Hufen Land, das dem ersten Besitzer 1612 zu Kulmischen Rechten verschrieben worden war.
Das war für mich ein sehr interessanter Fund. Sollte das Land bereits 1612 einem Pietras verschrieben worden sein? Ich fragte beim Preussischen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem an, ob solche Verschreibungsurkunden heute noch existieren. Ich erhielt eine positive Antwort und auch eine Kopie der Verschreibung von 1612 zu Angerburg.
Ich war überrascht, dass die Urkunde nicht für einen Pietras, sondern für Dietrich Schachtmeyer ausgestellt war. Ihm wurde von Johann Sigismund (zu dieser Zeit Kurfürst von Brandenburg und Regent im Herzogtum Preussen) 2 Hufen Land zu Kulmischen Rechten "erblich, ewiglich und scharwerksfrei" verschrieben, nachdem er das Land bereits 1601 vom Amt Lötzen gekauft hatte.
Damit entstand die Frage: Wann und wie hat ein Pietras die 2 kölmischen Hufen erworben? 1612 war Dietrich Schachtmeyer der Erstbesitzer, 1750 war Jacob P. der Besitzer. Ich fragte beim Preussischen Staatsarchiv an, ob der Besitzerwechsel dokumentiert sein könnte. Die Antwort war: Es ist möglich, die Suche könnte aber sehr aufwändig sein, ich könnte selbst im Archiv danach suchen.
Im Juni 2007 fuhr ich nach Berlin, um im Preussischen Staatsarchiv nach Dokumenten für den Besitzerwechsel Schachtmeyer/Pietras zu suchen. Nach drei Tagen wurde ich fündig. In der
Jahresrechnung 1720/21 des Amtes Lötzen fand ich unter Marczinawolla den Eintrag (sinngemäss):
"2 Hufen, am 19. November 1617 zu Königsberg von Kurfürst Johann Sigismund zu kulmischen Rechten
dem Dietrich Schachtmeyer verliehen, besitzt jetzt Albrecht Pietras."
Die unterschiedlichen Daten der Verschreibungen für Dietrich Schachtmeyer sind so zu verstehen, dass es sich bei "Königsberg 1617" um eine Konfirmation (Bestätigung) der Verschreibung "Angerburg 1612" handelt.
Damit war ich bei meiner Suche nach den Besitzern des Pietras-Hofes eine Generation weiter zurück gekommen. Albrecht P., der 1720 Besitzer des Erbhofes in Marcinawolla war, lebte schätzungsweise von 1690 bis 1755. Das Todesjahr lässt sich aus den Mahlgastlisten der Mühle Przykop abschätzen.
Es blieben aber ungeklärt:
- Wann und wie erfolgte der Besitzerwechsel der zwei Hufen von Schachtmeyer zu Pietras?
- War Albrecht P. der erste Besitzer des Pietras..-Erbhofes in Marczinawolla und woher kam er?
Antworten auf diese Fragen fand ich in Dokumenten aus den Jahren 1720 und 1698 (vorhanden im Preußischen Staatsarchiv in Berlin).
In der Jahresrechnung 1720/21 des Amtes Lötzen sind unter dem Freidorf Lipiensken die Namen der Grundbesitzer aufgelistet. Darunter sind:
- Mart(in) Pietras 2 Hufen
- Adam Pietrasch 2 Hufen
- Albr(echt) Pietrasch 2 Hufen
Ich vermute, dass es sich bei Albrecht P. in Marczinawolla und Albrecht P. in Lipiensken um dieselbe Person handelt, d.h. Albrecht P. ging 1720/21 von Lipiensken nach Marczinawolla. Wahrscheinlich hat er in Marczinawolla die Besitzerin (Erbin) der 2 kulmischen Hufen geheiratet. Die Dörfer Lipiensken und Marczinawolla sind ca. 12 km voneinander entfernt, und beide gehörten zur Kirche Milken.
Albrecht P. war also der erste Besitzer des Pietras..-Erbhofes und kam ca. 1720 aus Lipiensken, wo die Pietras..-Familie über Grundbesitz verfügte und dort wahrscheinlich schon länger ansässig war.
Informationen über die Grundbesitzverhältnisse vor 1720 in Marczinawolla und in Lipiensken fand ich in einer Zusammenstellung des privilegierten Grundbesitzes (Kölmer, Schulzen und Freie) in den Dörfern des Amtes Lötzen aus dem Jahre 1698. In dieser Zusammenstellung (Signatur EM 88e Nr.63) findet man Abschriften der alten Verschreibungsurkunden für das privilegierte Land und die Namen der Besitzer im Jahre 1698.
Unter
Marczinawolla
fand ich die Einträge:
Die 5 Schulzenhufen besitzen folgende Wirte:
- 3 Hufen Fabian Schachtmeyer und Georg Thim.
- 2 Hufen Hans Schachtmeyers Erben.
- Fabian Schachtmeyer besitzt (außerdem) eine kulmische Hufe.
- Die zwei (kulmischen) Hufen zu Marczinawolla besitzt Michael Nagel.
Das bedeutet:
Die zwei kulmischen Hufen, die 1612 dem Dietrich Schachtmeyer verschrieben worden waren, gehörten 1698 Michael Nagel. 1720 besaß Albrecht P. diese Hufen. Er hatte sie nicht von einem Schachtmeyer, sondern von Michael Nagel übernommen.
Die Schachtmeyer-Familie war 1698 im Besitz der Schulzenhufen in Marczinawolla. Die Schachtmeyers hatten offenbar inzwischen das Dorfschulzenamt erlangt, das mit den privilegierten Schulzenhufen verbunden war.
Unter
Lipiensken sind nach einer Abschrift der Gründungsurkunde des Freidorfs Lipiensken die Besitzer der 36 Hufen namentlich aufgelistet:
Die Freien (von Lipiensken) besitzen folgende Hufen:
2 Hufen Jan Baginski, 2 Hufen Matthias Grigutsch, . . . , 4 Hufen Albrecht und Martin Pietraß, . . .
d.h. die Pietras..-Familie hatte 1698 in Lipiensken einen Grundbesitz von 4 Hufen.
Damit habe ich meine Pietras..-Vorfahren bis 1698 zurückverfolgen können. Weiter zurück zu kommen erscheint mir kaum möglich, weil aus der Zeit davor keine Dokumente bekannt sind, in denen die Namen der Grundbesitzer genannt werden. In den Dorfgründungsurkunden sind nur die Namen der Dorfschulzen angegeben.
Das älteste mir bekannte Dokument aus Masuren, in dem ein Pietras.. namentlich genannt wird, ist die Gründungsurkunde (Handfeste) des Dorfes Pietraschen/Petersgrund
aus dem Jahre 1550. Der „Pietrasch aus dem Stradaunischen“ kaufte vier kulmische Hufen Land zu einem Schulzenamt und gab damit dem Ort seinen Namen. Er sollte 40 Hufen mit Zinsbauern besetzen.
Da Lipiensken nur ca. 20 km von Pietraschen entfernt ist, kann man spekulieren, dass die Pietrasse in Lipiensken (erste Spur 1698) Nachfahren des Ortsgründers von Pietraschen (letzte Spur 1612) sind. Diese Annahme kann nicht bewiesen werden, doch es gibt
Argumente dafür.
Zuletzt geändert am 27.01.2009 | Home: Ahnenforschung Pietrass |