Der Saß/Kerschling/Broszio-Hof in Graywen
Nach den Prästationstabellen (Steuerlisten) des Kirchspiels Lötzen 1818-1824 war in Graywen der Erbfreie Johann Kirschning (auch Kirschnik, Kirschling, später Kerschling) Besitzer von 2 Hufen (ca. 35 ha) Land, das er "erheiratet" hat. Er heiratete die Tochter Eleonore des des Vorbesitzers Johann Saß, welcher 1784 eine Erbverschreibung für die 2 Hufen erhalten hatte (siehe unten).
Johann Kirschnings Sohn Gottlieb (*1811 Graywen) hat nicht den väterlichen Hof in Graywen geerbt, sondern einen Hof in Campen erworben, durch Heirat der Tochter Charlotte (*1825 Campen) des Grundbesitzers Friedrich Broszio. Also war der Hof in Graywen nur eine Generation im Besitz der Kerschling-Familie.
Der Nachbesitzer des Hofes in Graywen war Paul Broszio (*1799 Willuden), der die Tochter Justina (*1799 Graywen) von Johann Kirschning geheiratet hat. Er hat das Land gekauft.
(Quelle: Grundbuch Kirchspiel Lötzen von ca. 1850, Ostpr. Fol. 15555)
1945 gab es in Graywen keinen Broszio-Hof mehr. Es ist nicht bekannt, bis wann der Broszio-Hof in Graywen existierte.
Erbverschreibung für Johann Saß über 2 Hufen Land in Graywen,
gegeben 1784 zu Gumbinnen.
Nachdem die 2 Hufen, welche ehedem der Mühlenbereiter genutzt haben, erblich verfallen sind, wird dem Johann Saß über die 2 Hufen nachstehende Erbverschreibung erteilt.
§ 1
Es überläßt die Königl. Preußisch-Litauische Kriegs- und Domänenkammer dem Saß 2 Hufen cöllmisch, welche ehedem der Mühlenbereiter in Nutzung gehabt, erb- und eigentümlich dergestalt, daß er dieses Land nach bestem Wissen nutzen und gebrauchen, auch mit Wissen und Consens des Amtes veräußern könne.
§ 2
Dagegen ist Aquirent schuldig, für diese 2 Hufen cöllmisch per Hufe zehn Taler an Erbzins um Martini jeden Jahres an das Amt Lötzen zu zahlen, ab Trinitatis 1784.
§ 3
Der Aquirent ist verpflichtet,
- Fourage an die Cavallerie zu liefern,
- Kriegs- und andere Fuhren zu leisten,
- Mühlen-, Kirchen- und Schuldienste zu leisten,
- an Wolfsjagden teilzunehmen,
- zum Festungsbau beizutragen,
- die Wege binnen seiner Grenzen in gutem Zustand zu erhalten,
- die Mühlen-, Kirchen- und Schulabgaben zu erbringen,
§ 4
mit seinen auf diesem Land stehenden Gebäuden der Domänen-Feuersocietät beizutreten.
§ 5
Von allen Scharwerks- und anderen Amtsdiensten, desgleichen von der Kopf- und Hornsteuer soll der Saß befreit sein.
§ 6
Bei gewöhnlichen Unglücksfällen wird der Saß reglementmäßig behandelt, hingegen er bei großen und allgemeinen Landescalamitäten sich mit der Vergütung begnügen muß, welche andere Seinesgleichen aus königlicher Huld und Gnade erhalten.
Solange der Aquirent, seine Erben und künftige rechtmäßige Besitzer diesem allen getreulich nachleben, sollen sie bei den ihnen hier verliehenen Rechten gegen jedermanns Beeinträchtigung kräftig geschützt werden.
Urkundlich ist diese Erbverschreibung von der Königlich Litauischen Kriegs- und Domänenkammer und von dem Aquirenten Johann Saß unterschrieben worden, und soll selbige zur allerhöchsten Confirmation untertänigst eingesandt werden.
So geschehen zu Gumbinnen, 13. November 1784.
Siegel der Königl. Preußisch-Litauischen Kriegs- und Domänenkammer
gez. v.Holtz, v.Wobeher, v.Jurgas, Reichardt, Borchard, Heinz, v.Boebel, Gervais
Konfirmation der Erbverschreibung für Johann Saß über 2 Hufen Land in Graywen,
gegeben 1785 zu Berlin.
Seine Königliche Majestät von Preußen, unser allergnädigster Herr, konfirmieren, ratifizieren und bestätigen die hier beigeheftete, für den Johann Saß wegen des ihm überlassenen Mühlenbereiter-Landes zu Graywen, Amt Lötzen, von zwei Hufen cullmisch (vier Hufen, 15 Morgen, 147 Ruten magdeburgisch) ausgefertigte Erbverschreibung hiermit und Kraft dieses in allen Punkten und Klauseln, auch wollen höchst dieselben darüber fest und unverbrüchlich gehalten wissen.
Berlin, 11. Mai 1785
v.Blumenthal v.Gaudi, v.Werder
(Quelle: Grundbuch Kirchspiel Lötzen von ca. 1850, Ostpr. Fol. 15555)
Historischer Hintergrund